Samstag, 14. Juli 2007

Eszett oder die Rechtfertigung eines griechischen Buchstaben im deutschen Alphabet

Die deutsche Sprache ist eine schwierige Sprache. Und inkonsequent...allen Mathematiker würden die Haare zu Berge stehen, denn die mathematischen Gesetze so aufgebaut wären, wie die Rechtschreibung. Da die Sprachwissenschaftler gerne so wären wie die Mathematiker, präzis, nachvollziehbar und beweisbar, habe sie vor mehr als 100 Jahren begonnen, dass griechische Alphabet in das deutsche Alphabet einzuflechten. Das ß war der Anfang, "Beta" ist in der Mathematik und in der Physik weitverbreitet und so war es ideal. Die Sprachwissenschaftler haben dann eine nette Geschichte darumherum interpretiert, um das Zeichen zu rechtfertigen und die Entstehen aufzuzeichen. Gestern am Abend hatte ich im Auto mit meiner besseren Hälfte (für sie ist Deutsch eine Fremdsprache) eine ausführliche Diskussion. Ich, kein Sprachgenie, da mir die Mathematik mehr liegt, kenne aber die grundlegenden Begriffe der Rechschreibung und sonstigen Vorgaben, und Sie, Universitätstudium in Deutsch und Französisch und jahrelange Erfahrung als Lehrkraft. Die ideale Kombination für eine solche Diskussion. Was mit dem "Scharfen S" gemacht wird, ist eine Substitution (In der Mathematik ist die Substitution das Ersetzen eines Ausdrucks durch einen anderen). Das stimmt. Bei Schifffahrt werden ja auch zwei f zu einem γ (z. B.) zusammengefasst. Schiγfahrt. Ach nein, da wurde ja ein f weggelassen. Schiffahrt, weil Schif schreibt man ja nur mit einem f oder ist es doch Schiff und ahrt. Massstab verhält sich auch gleich. Nein, da haben wir ja nun viele s, da muss man ein "Scharfes S" machen. Maßstab. Weil es besser aussieht. Müssen Wörter schön aussehen? Nein, müssen sie nicht. Die Sprachwissenschaftler, welche schöne Wörter sehen wollen und für die Katastrophe verantwortlich sind, hätte lieber Kunst studiert. Ein Argument: Die Wörter lassen sich sonst nicht unterschieden: Busse steht sowohl für Buße wie für Busse.

  • Ich habe eine Busse bekommen.
  • Wir nahmen Busse, um zu reisen.
Seien Sie ehrlich, es werden beide Sätze auch ohne ß verstanden, da der Kontext relevant ist. Argument nicht haltbar. "Es ist Herbst, die Bänke sind schon weg geräumt und von Vögeln keine Spur". Ist auch klar, um was es geht oder nicht. Das die Vokallänge für die Verwendung von ß irrelevant ist, beweist ja, dass die Aussprache im gesamten deutschen Sprachraum identisch ist...blablabla. Nun haben sie aber den Vogel abgeschossen, denn das Versal-Eszett wird noch dieses Jahr offizieller Bestandteil der internationalen Zeichensätze Unicode bzw. ISO 10646. So können dann auch Wörter in Grossbuchstaben mit diesem Zeichen geschrieben werden...sehr praktisch. Es ist aber gut zu wissen, dass sehr viele Leute sehr viel Zeit haben, um sich mit solchen Dinge zu beschäftigen. Aber nicht über ihren Tellerrand hinausschauen. Deutschen Instituts für Normierung (DIN) hätte lieber das Geld in die Verbesserung der bestehenden Normen investiert und das ganze Sortiment der Normen um 80% verbilligt. Es gibt schon genügend Probleme mit ä, ö und ü. Da es ja bekanntlich Sonderzeichen sind. Nun kommt aber noch ein weiteres dazu: Versal-Eszett. Ich schaue auf meine Tastatur und dort hat es ein €-Zeichen, aber ich sehen kein ß. Den Euro gibt es erst seit wenigen Jahren, aber das ß schon seit hunderten von Jahren. Wieso ist nun das €-Zeichen vorhanden und das ß-Zeichen nicht? Ganz einfach, niemand wollte es bisher, da es unnötigt ist/war/bleibt. GROSSBUCHSTABEN, GROßBUCHSTABEN...so süss. Das Alphabet hat 24 Buchstaben. Die deutsche Sprache will aber ein Extra-Züglein fahren, da man sich von der englischen Sprache abgrenzen will. Wir brauchen noch mehr Sonderzeichen!!! Glücklicherweise können die Mehrzahl der Deutschen nicht französisch, denn sonst hätten wir noch é, è, ç und â auch im deutschen Alphabet. Oder ist es der ewige Kampf zwischen den Deutsch und den Franzosen um die grösstmögliche Anzahl von Sonderzeichen? Wär het z'längerä Schnäbi? Wenn man im Ausland ist, etwas auf einem fremden Computer schreiben will, dann wird ä durch ae ersetzt und niemand stört sich daran. Aber wenn man wieder zu Hause ist, dann kümmert man sich um das Versal-Eszett. Ausser riesigen Kosten wird es nichts bringen...wie die letzte Rechtschreibereform. Kein Mut zum Neuen, Stagnation und Angst vor der Vereinfachung wird dem Deutschen immer im Weg stehen und dazu beitragen, dass fremdsprachige Menschen das Gefühl haben, dass Deutsch eine schwerige Sprache ist. Wer will schon Portmonee statt Portemonnaie schreiben. Portemonnaie ist ein französisches Wort. Portmonee ist phonetisch geschreiben auf schweizerdeutsch. Vollkommen logisch. Physik sollte ja dann eigentlich Füsik geschrieben werden, das ist aber zu radikal. Die Schweiz ist in diesen Belangen ziemlich fortschrittlich, denn das "Scharfe S" wurde gar nie ins Alphabet gelassen, so erübrigt sich das Plappern um das Versal-Eszett und auch andere unsinnige Dinge aus der Rechschreibereform. Das Fazit war dann, dass die deutsche Sprache eine radikale Veränderung brauchen würde, damit die Akzeptanz weiter steigen würde. Alle alten Zöpfe sollten abgeschnitten werden. Und diese Änderungen sollten nicht Sprachwissenschaftler machen, sie hängen zu sehr am Alten, sondern Lehrkräfte und Journalisten, welche jeden Tag mit der Sprache an der "Front" zu tun haben. An dieser Stelle habe ich mich schon einmal zu diesem Thema geäussert. Erstaunlicherweise hat es auch innerhalb der Übersetzungen des Fedora Projekt noch keine einzige Reaktion gegeben, obwohl alle Co-Übersetzer aus Deutschland kommen. Dies lässt den Schluss zu, dass das Eszett niemand will.

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